Seminare am Kaminfeuer


Tumm giboru und nix derzüegleert – und der Räscht no vergässu. (Valser Spruch: Dumm geboren und nichts dazugelernt – und den Rest noch vergessen)

Max Stirner- ist das ein „Waldorf-Pädagoge“ ?

anhand des Textes „Über das unwahre Prinzip unserer Erziehung“ werden Grundgedanken der Erziehung besprochen. Im Zentrum steht die Frage: Was heisst eigentlich „Freiheit“? (Egoismus vs. Gemeinschaftsbildung)

Friedrich Nietzsche oder: wie weit reicht die Skala der menschlichen Instinkte und Motive

Um Ostern war das Thema:

Das Wesen des Menschen: Denken und Vorstellen / Abschied vom Leib-Seele-Problem / An die Stelle des klassischen Dualismus tritt die vierfache Natur des Menschenkörpers

(anknüpfend an Stirner und Nietzsche geht es grundsätzlich um die Frage: wie kann Wissen im Willen „auferstehen“ ? Das Begräbnis der griechischen „Seele“, die Geburt des Ich im Denken )

Danach ist ein Seminar geplant: Was heisst „freies Geistesleben“ ? (Eine Idee oder ein Wesen?) Das Individuum im Kreuzfeuer der Wirtschafts- und Kapitalmächte.

Hier steht die Welt nicht auf dem Kopf: Seminare mit Johannes Kartje * und Beat Fontana

Etwas Literatur ? hier ein pädagogischer Artikel von Johannes Kartje : „Auf dem Jahrmarkt der Ich-Abstinenz. Bemerkungen zu Waldorf 100“

Ach ja, „Waldorf“: gab’s da nicht früher mal eine „Anthroposophie“ ? Davon gibt es heutzutage mindestens zwei Sorten. Einer, der das Scheidewasser nicht scheute, war Karl Ballmer. Wie kommt einer dazu, sich mit „Wiederverkörperung“ herumzuschlagen ?

Was kommt eigentlich n a c h dem technokratischen Zeitalter ?

an einem der Seminar-Wochenende kam folgendes zur Sprache:

die soziale Entwicklung vor dem Hintergrund des globalen Kapitals. Wo sind die Zentren der Macht heute ? Dollar-Imperium vs. multipolare „Welt“. Die Rolle der BIZ (BIS) dabei.

ein Treffen mit Gian Trepp aus Zürich

Gian Trepp
https://www.amazon.de/Hohe-Berge-Geschichte-Vorfahren-Oberwallis/dp/1985828642

Dazu gab es Musik und herrliche Verpflegung aus – hmm- Hippel’s Weinstube

Ja – Musik , Verpflegung, überhaupt: die „analoge“ Welt, das Denken, das Erinnern und Vorstellen, das Fühlen, die Willensimpulse, das Lieben und Hassen, der „eigene“ Körper, die Sinne, – die ganze liebe Welt-„Physik“, die Erde, das vielfältige Klima, der Himmel, die Sterne….

Hierzu braucht es eindeutig grundsätzliche Überlegungen. Weitere Treffen, mit und ohne Spaten oder Melkeimer, sind geplant. (KAMO ist natürlich dazu geeignet, „Theorie“ und „Praxis“ unter einen Hut zu bringen, manchmal vergnüglich, manchmal – schwierig, wie soll man’s nennen? – schicksalsträchtig.., )

Ja, immer auf’s Neue : grundsätzliche Überlegungen, Begriffsbildungen (Begriffe: man übernimmt sie aus Schulbildung, Medien – kann man sie auch s e l b e r bilden ? Unser ganzes „System“ besteht letztlich aus kollektivem Konsens, verbunden mit der handfesten „Wirklichkeit“.. und, vorallem: verbunden mit der vertracktesten aller menschlichen Schöpfungen, dem „Geld“.)

Nun, die Begriffsbildungen, die Ideen, das „System“ – gibt es dafür nicht die edle „Wissenschaft“ – müsste nicht s i e den Ausweg aus den permanenten Krisen (von der sanitären bis zur Finanzkrise) zeigen? Wäre dazu das Gespräch zwischen den Wissenszweigen nicht notwendig?

Zum Gespräch zwischen den Fakultäten,

bezüglich eines Irrtums betr. willkürliche Körperbewegung

(….)

Es wäre gewiss unerwünscht, wenn ein Gespräch der Fakultäten zum – ich bitte den harten Ausdruck zu gestatten – „Weltanschaungsgeschwätz“ würde. Dessen Vermeidung dürfte am ehesten zu erreichen sein, wenn es möglich ist, eine konkrete wissenschaftliche Sachfrage derart hinzustellen, dass an ihr alle Fakultäten aus ihren je eigensten Voraussetzungen und aktuellen Interessen heraus echt wissenschaftlichen Anteil nehmen können. Ich stieß bei Rudolf Steiner auf eine solche konkrete Sachfrage, die es m.E. in sich hat, das stärkste Interesse sowohl von Seiten der Theologie, wie nicht minder von Seiten der Psychologie, Physiologie, Physik und nicht zuletzt der Astronomie erregen zu können. Die in der gemeinten Sachfrage behandelte Sache sind die menschlichen Nerven, und die Anregung für das „Gespräch der Fakultäten“ liegt in der Behauptung und Lehre Rudolf Steiners, dass die Annahme besonderer „motorischer“ Nerven irrtümlich sei. Hierüber führt Rudolf Steiner aus (in dem Buche „Anthroposophie, Psychosophie, Pneumatosophie“, das aus Nachschriften von in Berlin in den Jahren 1909, 1910 und 1911 gehaltenen Vorträgen besteht, Seite 81):

„Sie können in vielen physiologischen Büchern finden: Wenn wir irgendwie die Hand oder das Bein bewegen, so käme das daher, dass wir in unserem Organismus nicht nur solche Nerven haben, die von den Sinnesorganen zum Gehirn oder Rückenmark gehen und die Botschaft gleichsam dorthin leiten; sondern überall wird die Sache so dargestellt, als ob diesen Nerven andere gegenüberstünden, die man im Gegensatz zu den Empfindungs- oder Wahrnehmungsnerven Bewegungsnerven nennt. Wenn ich also den Gegenstand sehe, so wird die Botschaft der Sinnesorgane zunächst zum Gehirn geleitet, und man glaubt nun, dass der dort ausgeübte Reiz dann zunächst ausströme auf einen Nerv, der zum Muskel geht, und dass dann erst der Ansporn zur Bewegung erfolge. Vor den Augen der Geisteswissenschaft aber ist es nicht so. Was hier Bewegungsnerv genannt wird, ist als physisches Gebilde tatsächlich da, dient aber nicht dazu, die Bewegung auszulösen, sondern nur die Bewegung selber wahrzunehmen, zu kontrollieren, um ein Bewusstsein von der Eigenbewegung zu haben. Geradeso, wie der Augennerv, durch den Sie einen äußeren Vorgang wahrnehmen, ein Empfindungsnerv ist, so ist auch Ihr Muskelnerv, der zur Hand geht, ein Empfindungsnerv, um die Bewegung Ihrer Hand zu kontrollieren. Dieser wissenschaftliche Denkfehler über die sogenannten Bewegungsnerven ist ein Kapitalfehler, der die ganze Physiologie und Psychologie verdorben hat.“

Im Folgenden versuche ich, das Interesse wenigstens kurz anzudeuten, das von den verschiedensten wissenschaftlichen Arbeitsgebieten her der Sachfrage „Motorische Nerven?“ entgegengebracht werden kann. (Es wird nicht speziell die Basler Universität ins Auge gefasst; die Ausführungen gelten der Situation an den heutigen Universitäten im allgemeinen.)

Bei der philosophischen Fakultät ist stark die optimistische Meinung im Schwange, es gehe eine Erneuerung des philosophischer Denkens aus von Franz Brentano (geboren 1838, gestorben in Zürich am 17. 3. 1917), der die Befreiung von dem willkürlich konstruierenden Kant, dem bisher maßgeblichen Universitätsphilosophen, eingeleitet habe. Brentano nimmt optimistisch an, sein „Ich“ sei eine Substanz. Dieser Optimismus ist nicht gerechtfertigt, denn gegen ihn sprechen nicht nur zahlreiche sehr stichhaltige Gründe aus den naturwissenschaftlich orientierten Fachgebieten, sondern auch schon die philosophische Überlegung, dass das „Ich“ aus dem Grunde keine Substanz sein kann, weil es im Schlafe einfach nicht existent ist. Mit dem Wesen einer geistigen Substanz ist es aber nicht verträglich, einmal zu sein und einmal nicht zu sein. Unter der Voraussetzung, sein „Ich“ sei eine Substanz, beansprucht Brentano für sich eine „innere Wahrnehmung“, und meint damit „die innere Wahrnehmung der eigenen psychischen Phänomene“. Von Ihro Evidenz der „inneren Wahrnehmung“ (ein Ausdruck Brentanos) lässt sich Brentano z.B. die Evidenzgefühle im urteilenden Denken besorgen, oder er besorgt mit Hilfe seiner behaupteten „inneren Wahrnehmung“, zur Erheiterung von geringeren Optimisten, die Lösung des Hume’schen Problems. Schon vor Erscheinen von Brentanos „Psychologie“ (l874), also vor Brentanos vorgeblicher Erneuerung der Philosophie, wurden treffende Gründe gegen das Bestehen einer inneren Wahrnehmung von dem unvergleichlichen Friedrich Albert Lange ins Feld geführt. Vom Schreibenden ist hier die Auffassung zu vertreten, die Behauptung innerer Wahrnehmung durch Brentano sei nichts als arrogante Illusion. Rechtschaffen betont übrigens Brentano, dass er unter seiner „inneren Wahrnehmung“ nicht eine innere Beobachtung verstanden wissen will; die letztere sei unmöglich, denn: wer den Zorn, der in ihm glüht, beobachten wollte, bei dem wäre er bereits abgekühlt.

Die Annahme einer vorgeblichen „inneren Wahrnehmung“ hat sich eindrucksvoll ad absurdum geführt. Im 19. Jahrhundert huldigte einer der großen Begründer der modernen Physiologie, Johannes Müller, der Illusion einer inneren Wahrnehmung. In seinem 1840 erschienenen Handbuch der Physiologie behauptete Johannes Müller (mit peinlicher Naivität, wie der heutige Physiologe wird sagen müssen): die vom Gehirn zu den Muskeln gehenden Innervationen würden als solche unmittelbar empfunden. Die Unmöglichkeit dieser Annahme wurde durch psychologische (W. James) und physiologische (Hering) Untersuchungen klargestellt. Wenn wir das Ziel einer auszuführenden Bewegung, etwa die Hebung des Beines, vorstellen, so erfahren wir anschließend, indem wir die Bewegung ausführen, keinen vom Gehirn in die Muskeln fahrenden „Energiestrom“; wir erfahren erst – nach Mach, in Übereinstimmung mit den unzweifelhaften Einsichten heutiger Physiologie – die ausgeführte Bewegung durch peripherische Wahrnehmungen an der Haut, der Muskeln, Bänder usw.; oder wir können mit Steiner sagen, der fälschlich so genannte „Bewegungsnerv“ diene, indem er die ausgeführte Bewegung wahrnimmt, der Kontrolle der Bewegung. Diese fundamentale Einsicht der modernen Psychophysiologie, die heute von niemandem bezweifelt wird, dürfte die Annahme begünstigen, dass es nicht zweierlei Nerven gibt. Von den Fachleuten wurde indessen kein Antrieb verspürt, den Dualismus von sensorischen und motorischen Nerven prinzipiell aufzugeben, obschon die anatomische Nichtverschiedenheit der angeblichen zwei Arten von Nerven ein solcher Antrieb hätte sein können.

Es soll hier natürlich nicht behauptet werden, die Unmöglichkeit einer „inneren Wahrnehmung“ werde durch einwandfreie Einsichten der Physiologie „bewiesen“. Dagegen könnte, indem die Sachfrage „Motorische Nerven?“ mitten zwischen die auseinanderstrebenden Fakultäten gestellt wird, der Psychologe und Philosoph sich vom Physiologen zu der Vermutung ermuntern lassen, die von Brentano behauptete „innere Wahrnehmung“ (sie ist der Ausgangspunkt für den grassierenden akademischen Zeitvertreib der Husserlschen Bewusstseinserforschung) sei möglicherweise ein blindes Vorurteil, und die Anerkennung der Nichtexistenz besonderer „motorischer“ Nerven könne eine Anregung sein, antiquarische Prätentionen aufzugeben.

Der Leser wird die Frage auf den Lippen haben, ob denn das Studium der Werke Rudolf Steiners zu der allgemeinen Feststellung führe: „Es gibt keine innere Wahrnehmung“. Dem Fragenden kann geantwortet werden: Die Geisteswissenschaft im Sinne Steiners lehrt keine innere Wahrnehmung als Sonderart von Wahrnehmung überhaupt. Wenn es so etwas gäbe wie die Wahrnehmung eines „Ich“, so wäre solche Ich-Wahrnehmung von prinzipiell gleicher Art wie die Wahrnehmung eines Birnbaumes. „Höhere Erkenntnisse“ (vgl. den Titel des Grundbuches „Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten?“) sind alles andere, nur nicht – mit den Worten Brentanos – : „die innere Wahrnehmung der eigenen psychischen Phänomene“. Die vollkommene Wahrnehmung wäre nach Brentano offenbar die Wahrnehmung des eigenen substanziellen „Ich“. Der Schüler der Geisteswissenschaft verzichtet auf die Zumutung Brentanos, der „kapitalistische Besitzer“ einer Ich-Substanz zu sein. Eine „Seele“ – für mehr als eine der Fakultäten eine sehr fragliche Sache – kann sich der Schüler der Geisteswissenschaft nicht mit den Denkmitteln des Aristoteles vorstellen – als das Form- und Lebensprinzip des Körpers mit hinzutretender Denkseele. Er findet, der Heide Aristoteles rede irre über die „Seele“. Der Schüler der Anthroposophie findet sich damit ab, dass er zunächst von seinem „Ich“ nicht mehr weiß als von seinem Tode. Er kann die Vorstellung „Seele“ und „Ich“ nur wagen, indem er die Auferstehung des Körpers eines Gekreuzigten glaubt; „Seele“ und auferstehender Leib sind ihm das Gleiche. Er kann sich nicht erlauben, im Stile von „natürlicher Theologie“ und „christlicher Philosophie“ unter „Seele“ eine Naturtatsache zu verstehen. Seine Resignation befindet sich dabei in bester Übereinstimmung mit der echten, sich selbst verstehenden Naturforschung, die ihrerseits nirgends auf eine Naturtatsache „Seele“ gestoßen ist. Die streng wissenschaftliche Hoffnung, über „Seele“ nicht mythologisch, sondern wissenschaftlich sprechen zu können, heißt dem Schüler der Geisteswissenschaft: Christus-Impuls. Wenn ich wissend so etwas wie „Ich“ oder „Substanz“ ergreifen und verstehen will, dann brüte ich nicht in meinem „Ich“ und „Innern“, sondern ich fasse den Entschluss, in den Mitteilungen der geistigen Welt (Geisteswissenschaft), die ich nicht „glaube“, sondern die ich denke, geistig Substantielles wahrzunehmen. Das ist genau das Gegenteil der Brentanoschen arrogant-illusionären „inneren Wahrnehmung“. Der technische Ausdruck der Anthroposophie zur Bezeichnung des Objektes meiner Wahrnehmung von substanziellem „Ich“ lautet: die Erscheinung des Christus in seinem Ätherleibe seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Das Wahrgenommene ist die notwendige Ursache, zu der solche Menschen, die wissend mit Sinn zu sich „ich“ sagen wollen, in Freiheit die Wirkung sein können. Indem der Schüler der Geisteswissenschaft zu sich „ich“ sagt, kann er nicht ein Privateigentum meinen; sein „Ich“ ist von vornherein und prinzipiell eine gesellschaftlich-soziale Angelegenheit.

Diese Hindeutungen werden hier aus dem Grunde gemacht, weil die zur Diskussion gestellte Sachfrage („Gibt es motorische Nerven?“) aus der Anthroposophie erwächst, weshalb es nötig erscheint, die Stellung der Geisteswissenschaft (Anthroposophie) zu den traditionellen Mächten der geistigen Kultur und Religion wenigstens andeutungsweise zu kennzeichnen. Weil der anthroposophische Christus-Begriff aus dem Vorstellungsbesitz der Vertreter des Historischen nicht abgeleitet werden kann, ist es ebenso notwendig wie verständlich, dass er Beargwöhnung oder Ablehnung hervorrufen muss.

Es besteht durchaus die Möglichkeit, der Universität das Besondere und Spezifische der Anthroposophie sichtbar zu machen. Als Mittel bietet sich z.B. der Vorgang an, dass vom anthroposophischen Gesichtspunkte aus das philosophische Anliegen des kürzlich verstorbenen Basler Ordinarius Prof. Herman Schmalenbach so ernst gewürdigt wird, wie man wünschen möchte, dass es auch von der Gesamtuniversität gewürdigt werde. Das stille Philosophentum Schmalenbachs schrie es nicht in die Welt, dass da ein hoffnungsstarker Bearbeiter von Brachland und wahrer Entdecker am Werke war. Schmalenbach findet „Geist“ (Logoshaftes) in der unmittelbaren Sinneswahrnehmung, eindrucksvoll im Gegensatz zu einem Franz Brentano, der hochfahrend nach den Rezepten des englischen Agnostizismus die sinnliche Wahrnehmung – sehr antigoethisch – eine „Falschnehmung“ nennt, weil angeblich erst die Urteilstätigkeit von Ihro innerer Eminenz und Evidenz darüber zu befinden habe, was die Welt durch die „Falschmeldung“ hindurch simuliert. Schmalenbach findet,dass wir die Welt durch geistiges Wissen hindurch erfassen, und er muss doch wohl als das Subjekt dieses Wissens die Welt selbst vermuten. Dementsprechend versteht sich seine „Logik“, das heißt einfach sein wissenschaftliches Wissen, als „Philosophie vom Logos„; er ist erfüllt von dem Gedanken, dass nicht nur im menschlichen Welt-Zuschauer, sondern in der Welt selbst der „Logos“ auf dem Plane ist, manifest in der sinnlichen Wahrnehmung wie im Denken.

Herman Schmalenbach bestreitet, dass der Logos „wirklich“ sei. Der Schüler der Anthroposophie könnte dieser zentralen These Schmalenbachs zustimmen, wenn sie ausdrücken soll, es sei im Grunde genommen Vermessenheit, dem Logos aus bloß philosophischer Vollmacht Prädikate zu erteilen. Das seriöse Studium der Geisteswissenschaft führt zu der Anerkenntnis, „der Logos“ und „das Wirkliche“ seien zwei Namen für das Gleiche. Und zu der Anerkenntnis: Der Logos oder das Wirkliche ist ein absolut transzendenter übersinnlicher körperlicher Mensch. Anthroposophie stellt die Zumutung, das „Wirkliche“ in der logischen Form der „Wirklichkeit des Widerspruchs“ zu denken, auch wenn Brentano per innere Evidenz annimmt, was schon Thomas von Aquino annahm: sogar Gott habe sich nach den Regeln der aristotelischen Logik zu verhalten, die dem Gott das Können der „Wirklichkeit des Widerspruchs“ verbieten.

Schöpfermächtigkeit macht den absolut transzendenten Logos im Prozesse der Welt- und Menschheitsentwicklung wahrnehmbar, sinnlich und denkerisch. Nur Bewusst-Seiendes kann überhaupt wahrnehmbar werden. Anthroposophie kann die grauenhafte Verirrung nicht mitmachen, die seit Locke den Menschengeist verwüstet: die Annahme, die Welt könne wahrnehmbar [sein], ohne selbst wahrnehmend zu sein. Der Weltvorgang bedeutet: der absolut transzendente Logos macht sich wahrnehmbar. Wir sind als Einzelmenschen mit unserer Wahrnehmungstätigkeit in die Wahrnehmungstätigkeit der Welt selbst (des Logos) eingeschaltet. Wir erfahren – mit Herman Schmalenbach zu sprechen – die Welt „durch Wissen hindurch“, nämlich durch das Wissen des Weltsubjektes hindurch. Unsere Wahrnehmungen sind Tatsachen des Leibes, der seiner Wirklichkeit nach der Leib des Logos ist. Der Oberbegriff für „Bewusstsein“ heißt: LEIB. Die wahrgenommene Welt besteht nicht aus den Elementen der Mach’schen Empfindungen, sondern aus den (außerzeitlichen) Sinnes-Wirkungen des schöpferischen Leibes, der als Leib Geist ist.

Der Schüler der Geisteswissenschaft vermag die These des Physik-Philosophen Jeans ernst zu nehmen, zu der dieser sich aus dem Status der modernsten Physik gedrängt sieht: die wirklichen physikalischen Weltvorgänge spielten sich nicht in Raum und Zeit ab. Der Schüler der Geisteswissenschaft sieht sich seinerseits veranlasst, unter dem „Wirklichen“ der physikalischen Weltvorgänge den Prozess vorzustellen: Aktuell ewig wird der Logos, was er schon immer ist. Indem es dem Aktuell-Ewigen gefällt, sich als Seele der Welt einzusenken, gibt es in unserer Welt: Zeit. Der Versuch Heideggers, dem Zeitproblem durch Ignorierung der Zeitlosigkeit (Ewigkeit) beizukommen, ist ganz aussichtslos. Der anthroposophische „Evolutionismus“ basiert nicht auf unverbindlichen Orientalismen und nicht auf plattem westlichem „Monismus“, sondern auf der Grundtatsache des schöpfermächtigen: Ewig wird der Logos, was er schon ist.

„Was Bewegungsnerv genannt wird, dient nicht dazu, die Bewegung auszulösen, sondern nur die Bewegung wahrzunehmen, um ein Bewusstsein von der Eigenbewegung zu haben“ (R. St.). Der Vorgang der Bewegung eines menschlichen Körpergliedes bedeutet eine Veränderung im physischen Universum und geht unter diesem Gesichtspunkte die Fakultät der Physiker (und der Astronomen!) an. Der Physiker, seit Galilei und Newton, wenn er sich konsequent an seine Wissenschaft hält, kann eine „Eigenbewegung“ des einzelnen Menschen nicht zugeben. Er wird selbstverständlich das subjektive Erlebnis der Eigenbewegung nicht bestreiten, doch wird er sagen, dieses Erlebnis sei eine jener dem Leben dienlichen unwissenschaftlichen Illusionen, die zum menschlichen Dasein unentbehrlich sind, wie etwa auch die zweifellosen Erlebnisse des „freien Willens“. Sofern der Physiker es mit einem Etwas zu tun hat, das „sich“ bewegt, so heißt ihm dieses Etwas die Welt-Substanz oder „Materie“. Daran haben die modernsten Komplikationen des Dynamismus – mit der Vorstellung einer Komplementarität von „Welle“ und „Korpuskel“ – im Prinzip nicht das mindeste geändert. Wenn es nicht üblich ist, die Physiker als Gottesgelehrte anzusehen, und auch diese selbst sich nicht als Theologen vorkommen, obschon man gelegentlich metaphorisch von einer „Physikkirche“ sprechen hört, so sollte man ihnen dennoch im vollen Ernste die Ehre antun, sie als Männer der Gottesgelehrtheit anzuerkennen. Ihr Gott, die Substanz in ihrer Dynamik, ist zwar ein materialistisch vorgestellter Gott, doch immerhin ein Gott. Die Physiker verherrlichen des Gottes Sichselbstgleichheit im Energieerhaltungssatz; den Physikern heißt des Gottes Beständigkeit „Beharrungsvermögen“; und das Äußerste der physikalischen Gottesverehrung wäre die „Undurchdringlichkeit“ des Gottkörpers. Der Galilei-Newtonsche Dynamismus hat nicht nach dem Ursprunge der Bewegung zu fragen, er setzt deren Dasein einfach voraus. Im vergangenen Jahrhundert der „Erkenntniskritik“ forschte Dubois-Reymond nach dem ersten Ursprung der Bewegung überhaupt; dabei ergab sich als Forschungsresultat eines der sieben unlösbaren „Welträtsel“. Bei der Nachfrage nach dem all[er]ersten Ursprung der Bewegung wird der Physiker-Mechaniker unvermeidlich an den „Anfang der Welt“ verwiesen, von dem er, weil er Goethe nicht ernst nimmt, nicht einmal weiß, dass er in die Gegenwart fallen kann. Daher verbieten sich die Physiker, nach der „Ursache“ der Bewegung zu fragen. Und schon gar die allgemein volkstümliche Vorstellung, die einen Willensakt als das Verursachende einer menschlichen Körperbewegung ansieht, muss vom Physiker unter die unwissenschaftlichen, aber praktisch nützlichen Fiktionen des „Als Ob“ gerechnet werden. Der mit der Willensvorstellung verwandte Begriff der „Kraft“ ist aus der Vorstellungswelt des modernen Physikers so gut wie eliminiert; man hat es nur mit rechnerisch fixierbaren Bedingungen der Auslösung oder Hemmung der Bewegung der Weltsubstanz zu tun. Der Begriff einer menschlichen körperlichen „Eigenbewegung“ ist dem Physiker ein sinnloses Wort.

Auch für den Physiologen und Neurologen ist eine „Kraft“ oder ein „Wille“ als Erklärungsprinzip für „Eigenbewegung“ nicht auffindbar. Wie steht es dann mit den sogenannten „willkürlichen Handlungen“? Die redlichen Forscher des Positivismus haben sich mit der subtilen Analyse der Willkürhandlung befasst. Sie vermieden es dabei, von einer juristisch definierten Seelensubstanz des Einzelmenschen als Aktionsprinzip für „Eigenbewegung“ auszugehen. Man ging zweckmäßiger von der auch beim Tiere beobachteten Reflexhandlung aus, die von vornherein den Handelnden und seine Umwelt als einheitlichen Komplex erfasst. Es ging vorzüglich um die Frage, ob man naturwissenschaftlich überhaupt bei der sogenannten Willkürhandlung mit Sinn von einem „Willen“ sprechen könne. Wenn die redlichen Positivisten, Mach, Mauthner, Ziehen, über den Willen nachdenken, so kommen sie zu unanfechtbaren Einsichten, die ihnen klar machen, dass „Wille“ nichts sei als ein bequemer Name, dass es so etwas wie einen Willen zunächst überhaupt nicht gebe. Damit schien das respektable theologische Ethikkapitel über die „Willensfreiheit“ kaltgestellt, die gewaltigen geistigen Kämpfe rund um den „Pelagianismus“ mit ihren reformatorischen und tridentinischen Komponenten in das Reich illusionärer menschlicher Prätentionen verwiesen.

Über die Willensfrage sagt der ebenso redliche wie gescheite Mach: „Die willkürliche Bewegung ist eine durch die Erinnerung beeinflusste Reflexbewegung. Wir können keine willkürliche Bewegung ausführen, welche nicht als Ganzes oder in ihren Teilen schon als Reflexbewegung oder Instinkthandlung aufgetreten und von uns als solche wäre erfahren worden… Die Modifikation der Reflexvorgänge, welche durch die im Bewusstsein auftretenden Erinnerungsspuren bestimmt ist, nennen wir Willen… Der aufmerksame Beobachter muss zugeben, dass Innervationsempfindungen nicht wahrzunehmen sind, dass man nicht weiß, wie man eine Bewegung ausführt… Wir stellen uns das Ziel der Bewegung vor, und erfahren erst die ausgeführte Bewegung.“ Anschließend wartet der große Mach mit einer „Erklärung“ auf, die katastrophal genannt werden darf, sofern man die Lehre Rudolf Steiners von der Nichtexistenz „motorischer“ Nerven als fundierte Arbeitshypothese respektiert. Mach meint: „So wie sich also Vorstellungen durch Vorstellungen im Bewusstsein ergänzen, so können sich auch Erinnerungen an sinnliche Empfindungen durch die zugehörigen motorischen Prozesse assoziativ ergänzen, wobei aber diese letzteren nicht mehr ins Bewusstsein fallen.“ Ich fürchte stark, der geniale Mach habe hiermit einen redlichen Nonsens gelassen ausgesprochen. Ich kann mir unter einer Assoziierung von Vorstellungen mit „motorischen Prozessen“, d.h. mit elektrischen Vorgängen, nichts vorstellen; ich kann mir vorstellen, dass Vorstellungen mit Vorstellungen sich assoziieren, aber ich kann mir schlechterdings nicht den Gedanken zumuten, dass Vorstellungen mit elektrischen Vorgängen – im Stile englischer Psychologie – sich „assoziieren“.

Zitatquelle Mach: Erkenntnis und Irrtum, 4. Auflage Leipzig 1920, S.61ff

Auch Machs positivistische Erklärung der willkürlichen Handlung als modifizierter Reflexhandlung nimmt also an, die Bewegung eines Körpergliedes werde durch „motorische Prozesse“ ausgelöst. Diese Lehre ist nach Rudolf Steiner irrtümlich, die angeblichen „motorischen“ Nerven besorgen nicht die Auslösung der Bewegung, sondern vermitteln die Wahrnehmung der vollzogenen Bewegung. Wie aber kann Steiner dann die Lehre von einem „Bewusstsein der Eigenbewegung“ vertreten? Der konsequente Physikalismus darf unter dem „Bewusstsein der Eigenbewegung“ nichts als eine lebensdienliche, unwissenschaftliche Illusion und Als-Ob-Fiktion verstehen. Subjekt des Bewegtseins ist dem Physiker einzig die eine Welt-Substanz, und dieser eignet kein Bewusstsein. Ein sich Wissen der einzelmenschlichen „Eigenbewegung“ ist für den konsequenten Physikalismus eine Unmöglichkeit.

Hier frägt es sich, ob die Hoffnung und Forderung der Philosophie Herman Schmalenbachs, Wissenschaft solle „Wissen vom Logos“ sein, den Blick frei machen will auf eine revidierte Wahrnehmungslehre. Diese revidierte Wahrnehmungslehre weiß und versteht die Tatsachen der ohne unser Zutun gegebenen Sinneswahrnehmungen als die schöpferische Aktion des Sich-Wahrnehmbar-Machens des Logos. Objekt unserer Wahrnehmung ist die selbst wahrnehmende Welt, der Logos, „der Mensch“ als solcher, Einer, durch den die den Namen des Menschen Tragenden an der Wirklichkeit teilnehmen. In das Tun des Einen sind wir mit unserer einzelmenschlichen Wahrnehmungstätigkeit als Teilnehmer eingeschaltet. Wenn nun die „wirkliche“ Eigenbewegung dem Logos vorbehalten ist, dann wird „Bewusstsein der Eigenbewegung“ für den Einzelmenschen heißen: Wahrnehmung der Eigenbewegung kraft Teilnahme am „Wirklichen“, d.h. am Wirker.

Dem ernsthaft das Studium der Geisteswissenschaft Betreibenden wird es nicht erlassen, Goethe ernst zu nehmen. Indem der Schüler Rudolf Steiners sein Erschrecken über diese Zumutung zu bändigen versucht, sieht er den Galilei-Newton-Einsteinschen Physikalismus vor die Frage gestellt – um es drastisch auszudrücken: Goethe oder nicht Goethe? Eine auf Goethesche Prinzipien gegründete physikalische Bewegungslehre wird das Urphänomen aufzusuchen und anzuschauen haben, das den Begriff „Ursprung der Bewegung“ durch eine Tatsache „definiert“: Es gibt, dem Galileismus und aller Relativistik zum Trotz, den Körper, der sich aus und durch sich selbst verändert und bewegt. Es ist der „wirkliche“ menschliche Körper. Er bewegt sich als seine Wachstumsvorgänge; es ist also unsinnig, den Bewegungsbegriff nur einseitig mechanistisch zu handhaben. In der willkürlichen Handlung ist die Selbstbewegung des Körpers von Selbstbewusstseinsvorgängen begleitet. Unter dem ersten Anfang und dem Wesen der Welt-Bewegung darf man sich einen Handelnden vorstellen, der aus freiem Willen agiert, was dort der Fall wäre, wo Einer im handelnden Umgange mit andern Menschen in der „Freiheit“ der Andern seinen eigensten Welt-Willen hat. Schopenhauer, der der Philosoph des 19. Jahrhunderts sein wollte, würde sehr erstaunt sein, wenn er im 20. Jahrhundert erfährt, was Wille ist. Am Urphänomen des sich aus sich selbst Bewegenden ist dessen Wille, die Hand zu heben, die sinnlich Wahrnehmung seiner Hand, und nicht irgend eine okkulte Kraft des Dinges an sich.

Der Schüler der Geisteswissenschaft weiß nur allzugut, welch grausame Zumutung an den Astronomen und Astrophysiker es bedeutet: diese sollen „Bewegung“ als „Philosophie vom Logos“ erfragen. Doch werden es harte und härteste Fragen sein, an die sich die Hoffnung auf Überwindung des Weltanschauungschaos (und des Weltanschauungsgeschwätzes) knüpfen kann. Worin anders könnte die Bändigung des Chaos bestehen, als in der wechselseitigen Durchdringung von Weltphysik und Weltmoralität?

Die Annahme „motorischer“ Nerven ist eine Folge der unmöglichen Seelenlehre des Aristoteles. Der falsche Seelenbegriff des Thomisten Aristoteles wurde im Abendlande juristisch sanktioniert, um später zum blinden Vorurteil von „Wissenschaft“ zu werden, derart, dass selbst ein Ernst Mach zum Nutznießer eines schwer ausrottbaren „psychologischen“ Irrtums wird. Der weltverwüstende Irrtum eines heidnischen Griechen wird durchschaut werden, wenn die den Namen „Mensch“ Tragenden beginnen, ihren Wert nicht als isolierte und verkrampfte „Substanzen“ zu haben, sondern in ihrem Dabeisein beim Sich-Wahrnehmbar-Machen des Logos, als Teilnehmer am „wirklichen“ Menschen. Sie werden ihre Eigenbewegung als ihre Wahrnehmung des Eigners der Welt-Bewegung wissen.

Hat nicht Martin Luther das Abendland gewarnt vor der allzuoptimistischen Ansicht, die den Namen „Mensch“ Tragenden seien aus sich heraus Selbstbeweger und Selbstwirker? Das Abendland hörte die Warnung Luthers sehr wohl – im kirchlichen Tridentinum. Luther wollte das „wirkliche“ Wirken Einem vorbehalten, ohne die „Freiheit des Christenmenschen“ zu kränken. Luther sprach von seiner Welttat mit den Worten: „Die Erstlinge der Erkenntnis und des Glaubens Christi habe ich geschöpft, nämlich, dass wir nicht durch Werke, sondern durch den Glauben Christi gerecht werden. Ich bin der gewest, dem es Gott zum ersten offenbaret bat.“ Die „Freiheit“ fiel zur Zeit Luthers exklusiv in den „Glauben„; später wird die Freiheit wissend, d.h. im Nach-Denken der Mitteilungen des Geistes übend erprobt werden können. Wir haben dem Wehen des Geistes das „wo Er will“ nicht zu befehlen.

Wenn die Physiker sich als Gottesgelehrte, und die Physiologen sich als Gelehrte der „Seele“ ernst nehmen wollten, so könnten sie – außer bei Goethe – bei Martin Luther anknüpfen.

Lamone, 12. April …… (Karl Ballmer, Buch „Ehrung“, Ed. LGC )


Naja, bis hierher liest wohl keiner. Wer’s trotzdem bis hier unten schafft, bekommt zur Belohnung den Hinweis auf das Werken und Wirken des Schweizer Publizisten Christoph Pfluger.